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Unternehmer und Angestellter in einer Rolle?

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© Constanze Schneider / convincing.media
06.03.2024

Eine Forschungsarbeit über das (Rollen-)Konfliktpotential der Konstellation Unternehmer und Angestellter. Ein Interview mit den Preisträgern des Entrepreneurship Research Awards 2023.

Die Preisträger Frederic-Alexander Starmann, Prof. Dr. Sylvia Hubner-Benz und Dr. Slawa Tomin erhielten 2023 gemeinsam für ihre herausragenden Forschungsergebnisse den „Entrepreneurship Research Award“, der von der Karl Schlecht Stiftung vergeben wird. Ihr Forschungsvorhaben befasst sich mit dem Thema Identitätskonflikte von Intrapreneuren innerhalb von Unternehmensstrukturen. Intrapreneure sind innovative Mitarbeiter, die innerhalb ihrer Organisation neue Ideen entwickeln und umsetzen. Sie sind für die Entwicklung und langfristige Aufrechterhaltung der Wettbewerbsvorteile von Unternehmen von Bedeutung.

  • Wie formen und definieren Intrapreneure ihre Identität, während sie innovative Initiativen innerhalb des Unternehmens autonom und unternehmerisch vorantreiben?
  • Welche Rollenkonflikte entstehen zwischen „unternehmerischen“ und operativen Job im Unternehmen.

Wir haben bei Frederic-Alexander Starmann nachgefragt:

KSG: „Ihre Forschungsarbeit trägt übersetzt den Titel „Enträtselung der Identitätsarbeit von Intrapreneuren bei unternehmensinternen Unternehmungen". Wie sind Sie dazu gekommen, sich genau mit diesem Thema zu beschäftigen?“

Frederic-Alexander Starmann: „Intrapreneurship-Programme gelten als beliebte Initiative zur Förderung von unternehmerischem Verhalten in (Groß-)Organisationen. Jedoch bleibt der „messbare“ Erfolg in der Praxis oft aus, zumindest kurzfristig. Insbesondere hat uns überrascht, dass Personen, die zuvor aktiv an solchen Programmen teilgenommen hatten, kurz nach Programmende den Arbeitgeber wechselten. Eine dieser Personen aus unserem Startup-Umfeld, hatte sich zuvor stark mit ihrem Arbeitgeber identifiziert. Diese Diskrepanz hat uns dazu veranlasst, genauer nachzuforschen. Im direkten Austausch wurde deutlich, dass die betreffende Person während der Programmteilnahme einen bedeutenden persönlichen Wandel durchlebte. Bei der Durchsicht der Literatur stellten wir fest, dass den affektiven, kognitiven und verhaltensorientierten Dimensionen von Intrapreneurship bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, sondern vielmehr auf Makro-Ebene geforscht wurde. Diesem Thema wollten wir uns auf empirische Weise nähern. Der Bezug zur Identitätsarbeit ergab sich erst durch unsere Beobachtungen im Feld, da gleich mehrere Intrapreneure ähnliche Erfahrungen schilderten.“

KSG: „Können sie in wenigen Worten erläutern, was mit der Enträtselung der Identitätsarbeit gemeint ist?“

Starmann: „Identität ist ein schwer zu greifendes, relationales Konzept. In unserem Papier geht es um die im Hintergrund stattfinden, oftmals nicht direkt greifbaren Prozesse, welches einen großen Einfluss auf das Verhalten und die Arbeit der Mitarbeitenden haben. Identity Work (Identitätsarbeit) beschreibt den kontinuierlichen Versuch ein kohärentes Selbstbild zu erreichen. In Abhängigkeit der beruflichen, kontextualen Realität ist es wahrscheinlich, dass wir unser Selbstbild aktualisieren. Wir zeigen, wie die Arbeit an unternehmerischen Projekten zur Konstruktion einer Unternehmer-Identität führt und wie der Versuch dieses Selbstbild zu wahren, bedeutende Konsequenzen für die Einzelperson und die Gesamtorganisation zur Folge haben kann.“

„Intrapreneure sind entscheidend für die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation.“

Frederic-Alexander Starmann,
Entrepreneurship Award Preisträger 2023

KSG: „Wie wichtig sind Intrapreneure für ein Unternehmen?“

Starmann: Intrapreneure sind entscheidend für die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation. Durch ihr unternehmerisches Denken und Handeln tragen sie maßgeblich zur Entwicklung kreativer Ideen, zur Effizienzsteigerung von Prozessen und zur Gestaltung einer dynamischen Unternehmenskultur bei. In Zeiten sich schnell wandelnder Märkte sind es diese Mitarbeitenden, die mit neuen Geschäftsmodellen und Produkten die Zukunft einer Organisation prägen und sicherstellen. Langfristig sind Intrapreneure in dieser sich rasant verändernden Geschäftswelt unerlässlich.“

KSG: „Wie erleben die Teilnehmer den Übergang von ihrer Rolle als Mitarbeiter zum Intrapreneur? Gibt es spezielle Momente, die ihre Identitätsentwicklung beeinflussen oder ist der Übergang fließend?“

Starmann: „Die Identität entwickelt sich nicht bei allen Mitarbeiter*innen gleich. Von daher können wir nicht gänzlich von einem fließenden Übergang sprechen. Was wir jedoch bei der großen Mehrheit beobachten konnten, war die überraschend schnelle Konstruktion eines idealisierten Bildes von Unternehmer*innen bzw. Entrepreneur*innen. Und mit diesem Bild experimentieren die Mitarbeiter*innen zu Beginn. Die Umstände und der Kontext des großen Unternehmens stellen schließlich eine Gefahr für das positiv-bewertete Selbstbild dar. Um die Identität als Entrepreneur, nicht Intrapreneur, dennoch zu schützen, distanzierten sich die Mitarbeiter*innen teilweise deutlich vom Mutterkonzern. Positive Erlebnisse wurden schließlich den eigenen unternehmerischen Fähigkeiten zugerechnet, Rückschläge gingen auf das Konto des Konzerns.“

KSG: „Können Sie uns ein konkretes Beispiel für die Identitätskonflikte geben, mit denen die Betroffenen zu tun haben?“

Starmann: Identitätskonflikte ergeben sich immer dann, wenn die Umgebung bzw. der Kontext, nicht das Selbstbild der Mitarbeiter*innen bestätigt. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sie in ihrem operativen Job tätig wurden oder – sehr drastisch – wenn das Unternehmen das Projekt einstellte und den Teilnehmer*innen somit die unternehmerischen Tätigkeiten komplett entzog. Eine Identität als Intrapreneur bewerteten die Teilnehmer*innen als kontext-bezogen. Die Identität als Unternehmer wurde viel mehr als Werte und Einstellung ausgelebt und konnte daher auch das eventuelle Projektende überstehen.“

KSG: „Hat der Rollenkonflikt von Interpreneuren (ihre Identität als Unternehmer und als Mitarbeiter zugleich), Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen und Teammitgliedern? Wenn ja, welche?“

Starmann: „Das ist durchaus der Fall. Die Intrapreneure distanzierten sich zunehmenden auch von den Kolleg*innen im operativen Arbeitsbereich. Zwar lässt sich nicht alles einem möglichen Identitätswandel zu schreiben, aber auch das Zusammengehörigkeitsgefüge litt unter der persönlichen Entwicklung der Teilnehmer*innen. Das war der Fall für den operativen Job – das Zusammengehörigkeitsgefühl zu anderen Intrapreneurship Alumni stieg deutlich an, was auch in einer Art „Intrapreneur-Community“ resultierte. Intrapreneure übernehmen eine Botschafter Rolle für Innovationsarbeit und sind somit Treiber des Kulturwandels hin zu einer Experimentier-Kultur in der Fehler auch mal passieren.

 

„Intrapreneure übernehmen eine Botschafter Rolle für Innovationsarbeit und sind somit Treiber des Kulturwandels hin zu einer Experimentier-Kultur in der Fehler auch mal passieren.“

Frederic-Alexander Starmann

KSG: „Haben die Teilnehmer Strategien entwickelt, um ihre unternehmerischen Ambitionen im Rahmen der bestehenden Unternehmenskultur zu verfolgen? Wenn ja, wie sehen diese Strategien aus?“

Starmann: „Viele versuchen es, stoßen jedoch oftmals an ihre Grenzen. Wir sehen das in der Regel diejenigen in hierarchisch höheren Positionen mehr Möglichkeiten haben und diese nutzen, ihren operativen Job und ihr berufliches Umfeld unternehmerisch zu gestalten. Angestellte in stärker operativ geprägten Rollen haben diese Möglichkeiten zur Jobgestaltung meist nicht. Nichtsdestotrotz versuchen sie ihr unternehmerisches Mindset in ihre Arbeit einzubringen. Das umfasst vor allem den Mut Fehler zu machen, zu experimentieren und auch mal anzuecken.“

„Intrapreneurship muss zum Karrierepfad werden und kontinuierliche Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten.“ 

Frederic-Alexander Starmann

KSG: „Wie wirken sich diese Identitätskonflikte auf die Innovationsfähigkeit und Kreativität der Intrapreneure aus? Vor welchen Herausforderungen stellt das die Unternehmen?“

Starmann: „Das ist eine spannende Frage. In erster Linie beeinträchtigen die Identitätskonflikte das Wohlbefinden der Intrapreneure. Sie besitzen keine Klarheit, wer sie sind und welche Rolle sie im Unternehmen einnehmen. Dies kann sich vor allem in der Zusammenarbeit mit der operativen Belegschaft äußern. Wenn wir uns am Arbeitsplatz nicht länger wohlfühlen, dann hat dies natürlich Konsequenzen für unsere Arbeitsleitung. Zwar haben wir den Einfluss auf die Kreativität nicht direkt untersucht, nichtsdestotrotz haben uns die Intrapreneure gespiegelt, dass sie ihrer Arbeit – sowohl als Intrapreneur*in als auch als operative Mitarbeiter*in – nicht immer ihre ganze Leidenschaft widmen konnten. Im Hinterkopf schien oftmals ein Gefühl der Orientierungslosigkeit zu bleiben. Und dennoch muss man betonen, dass die Intrapreneure trotz dieser Herausforderungen immer engagiert blieben und hervorragende Ergebnisse in beiden Tätigkeiten erzielten. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass das unternehmerische Arbeiten und das Intrapreneurship-Programm ihr Selbstvertrauen gestärkt hat und sie kontinuierlich neue Fähigkeiten erworben und entwickelt haben.“

KSG: „Welche Rahmenbedingungen sollten vorliegen, damit die Identitätsentwicklung der Intrapreneure gefördert, gleichzeitig aber die Organisationsziele unterstützt werden?“

Starmann: „Wir denken dort vor allem an zwei Ansatzpunkte – Anreizsysteme und Mitarbeiter*innen-Entwicklungsprogramme. Es sollte ein System im Unternehmen geben, das Innovation und unternehmerische Leistung anerkennt und entsprechend fördert. Dies muss nicht zwangsläufig finanzieller Natur sein. Vielmehr spielen hier Karriereentwicklungsmöglichkeiten und Anerkennung vom Management eine Rolle. Intrapreneurship muss zum Karrierepfad werden und kontinuierliche Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Stetige Unterstützung und Förderung ist unerlässlich für den Erfolg von Intrapreneurship-Initiativen in Unternehmen. Zurückkehrende Alumni können hierbei eine Schlüsselrolle einnehmen: Sie können als Mentoren und Multiplikatoren dienen, die anderen Mitarbeitenden die Angst vor Intrapreneurship nehmen und dessen Legitimität im Unternehmen festigen.“

Wir sagen herzlich Danke für das Interview, das Dr. Sofia Delagdo für die KSG führte.

Der Entrepreneurship Research Award wurde im Jahr 2023 an zwei Forschungsarbeiten vergeben. Das Interview zur zweiten ausgezeichneten Arbeit finden Sie hier:

Die Einreichungsfrist für die Vergabe des Entrepreneurship Research Awards 2024 für herausragende Forschungsarbeiten endet voraussichtlich Mitte/Ende Mai 2024.