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„Humanistic Transformation“ – 100 Teilnehmende diskutierten Erich Fromm

03.10.2023

Bereits im Juni fand in Berlin die dritte Erich Fromm Conference zum Thema Humanistic Transformation statt. Das von der KSG geförderte Erich Fromm Study Center an der International Psychoanalytic University in Berlin organisierte diese internationale Konferenz wieder in Präsenz. Jetzt sind die Mitschnitte der Konferenz auf Youtube verfügbar.

Transformation ist als Begriff allgegenwärtig. Seine zunehmende Verwendung drückt einen weit verbreiteten Wunsch nach Veränderung der Gesellschaft aus. Während die Notwendigkeit gesellschaftlicher Transformationen angesichts von vielfältigen Herausforderungen immer deutlicher wird, bleibt die eigentliche Bedeutung des Begriffes in Debatten oft vage und unbestimmt. Insbesondere wie eine bessere Zukunft aussehen könnte, und welche Wege dahin führen, wird wenig diskutiert.

Die Konferenz stellte einen wichtigen Beitrag dar, diese Lücke zu füllen, indem sie Transformation aus einer humanistischen Perspektive in den Blick genommen hat. Denn die Frage nach dem menschlichen Wandel umfasst zwangsläufig auch Aspekte der technischen Innovation, bleibt aber nicht dabei stehen.

Die in dieser Form einzigartige internationale Konferenz brachte rund 100 Forscherinnen und Forscher, Praktiker und Studierende aus fünf Kontinenten und verschiedenen Fachdisziplinen zusammen. Unter besonderem Verweis auf das Werk Erich Fromms wurden aus einer humanistischen Perspektive insbesondere Fragen des menschlichen Wandels diskutiert.

Keynote Speaker war der frühere Erich-Fromm Preisträger Prof. Dr. Hartmut Rosa mit der Eröffnungsrede zum Thema “From Affirmation and Responsibility to Transformation and Responsability: Resonance as a Relational Mode of Being”

Wie weit verbreitet der Pessimismus für das heutige Zeitalter ist - von Pandemie, Krieg zu  Klimawandel -, fasste er zunächst mit sehr schwarzem Humor zusammen: ‚Ich überlege wirklich, ob es nicht einfach besser ohne uns gehen würde.‘ Rosa setzt die Hoffnung auf die ‚Resonanzfähigkeiten‘ von Menschen, die lernen, eine dialogische Beziehung zueinander und zur Wirklichkeit aufzubauen: in der Musik oder im Tanz, zum Beispiel, weiß man irgendwann nicht mehr, wer führt und wer geführt wird.‘ Das könnte, so Rosa, ein Modell auch in anderen Lebensbereichen sein.    

Rosas Vortrag gab den Ausganspunkt zu einer Erkenntnis, die sich über die gesamte Konferenz erstreckte: Deutlich wurde, welche wichtigen Anstöße für die Diskussion gesellschaftlicher Schlüsselfragen heute mehr denn ja aus dem Werk von Erich Fromm gezogen werden können.

Themen, die er in Büchern wie ‚Die Kunst des Liebens‘ (1955) und ‚Haben oder Sein‘ (1976) für ein breites Publikum erklärt hat, bleiben hoch aktuell: insbesondere angesichts besorgniserregender gesellschaftlicher Entwicklungen wie zunehmender Polarisierungen aber auch Bedrohungen etwa in Folge von Klimawandel und technologischem Fortschritt wird die Bedeutung einer humanistischen Ethik und menschlichen Charakterstrukturen immer deutlicher.

Weitere prominente Referenten der Konferenz waren Prof. Dr. Gesine Schwan, Prof. Dr. Harald Welzer, Dr. Thomas Bruhn und Gerd Hofielen, welche in einer Panel-Diskussion unter der Moderation von Prof. Dr. Thomas Kühn Fragen gesellschaftlichen Wandels diskutierten.

Fromms heutige Relevanz geht weit über die akademischen Sozialwissenschaften hinaus. Themen, die er in Büchern wie ‚Die Kunst des Liebens‘ (1955) und ‚Haben oder Sein‘ (1976) für ein breites Publikum erklärt hat, bleiben hoch aktuell: Entfremdung durch Industrialisierung; politische Polarisierung und Autoritarismus; und reduzierte menschliche Kreativität wegen steigender technischer Abhängigkeiten.

Prof. Dr. Thomas Kühn, Co-Direktor des Erich Fromm Study Centers, widmete sich in seinem Vortrag dem globalen Jahresthema ‚ChatGPT‘ aus der Perspektive humanistischer Transformation, um die Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz für die menschliche Autonomie zu erläutern. Dabei verdeutlichte er insbesondere, wie wichtig ein an Fromm angelehntes Verständnis menschlicher Identität und damit verbundener Identitätsarbeit ist, auch um Prozesse von „Good Leadership“ zu verstehen.

In seiner Keynote zeigte Dr. Rainer Funk, Co-Direktor des Erich Fromm Study Center, auf, wie wichtig es ist, gesellschaftliche Entgrenzungsprozesse in ihrer Bedeutung für die Charakterentwicklung zu verstehen.

Im Anschluss an diesen Vortrag wurde der 80. Geburtstag des unermüdlichen Fromm-Forschers und Mitgründers der Erich Fromm Gesellschaft in großer Runde gefeiert.

Dr. Funk hat sein Leben der Nachwirkung von Fromms Humanismus in Business und Gesellschaft gewidmet und auch für eine institutionelle Heimat für die Frommsche ‚sozialpsychoanalytische‘ Methode gekämpft. Solche Forschung versucht, besser zu verstehen, warum viele Menschen in einer bestimmten Gesellschaft ähnlich fühlen, denken und handeln, und daraus Lösungen für pathologische Tendenzen (alte und neue) abzuleiten.

„ Eine wegweisende und Hoffnung stärkende Veranstaltung, welche gezeigt hat, wie wichtig es ist, Transformationsprozesse aus einer humanistischen Perspektive zu begreifen.“

Resumee Prof. Thomas Kühn Resumee
Co-Direktor Erich Fromm Study Center

Auch in der Presse und den sozialen Medien wurde die Konferenz sehr positiv rezipiert:

„Diese etwas andere Bedeutung des Wortes „aufhören“ hat mich besonders begeistert. Wir halten inne und hören hin, hören auf, um in Resonanz zu gehen mit dem, was uns angerufen hat.“ Silke Otto

Mehr zum Erich Fromm Study Center:

Das Erich Fromm Study Center fördert wissenschaftliche Aktivitäten im Bereich der analytischen Sozialpsychologie und bietet an der IPU Berlin im Rahmen mehrerer Bachelor- und Master-Programme Lehrveranstaltungen an. Es organisiert außerdem öffentliche Veranstaltungen und weitere Weiterbildungsmöglichkeiten u.a. im Bereich ‚Leadership and Consulting‘ an.