Unsere drei Fragen zum Thema "Good Leadership" richten wir heute an Dr. Philippe Merz, Gründer & Geschäftsführer Thales-Akademie für angewandte Philosophie in Freiburg.
Herr Merz, was bedeutet für Sie Good Leadership?
„Ich würde diese Redewendung ein wenig präzisieren und mit „verantwortungsvolle Führung“ übersetzen. Diese besteht für mich darin, den Menschen in einer Organisation und der Mitwelt zu vermitteln, welchen Beitrag die eigene Organisation zur Gesellschaft leistet. Zudem besteht verantwortungsvolle Führung darin, die Bedeutung einzelner Führungspersonen zu relativieren und Führung differenzierter zu interpretieren, nämlich als ein möglichst stimmiges Ensemble aus inspirierenden Führungspersönlichkeiten einerseits sowie einer klaren Vision, verbindlichen Werten und konkreten Verhaltensprinzipien andererseits. So kann verantwortungsvolle Führung für Ausrichtungsklarheit mit Blick auf grundlegende Ziele und Aufgaben sorgen, zugleich aber den Menschen einen breiten Korridor für selbstbestimmtes Handeln, Eigenverantwortung und Beteiligung ermöglichen.“
Welches Vorbild zu Good Leadership (Person, Institution etc.) haben Sie und warum?
Vorbild trifft es nicht ganz, aber beeindruckt hat mich immer Uwe Lübbermann, der vor über 20 Jahren das Premium Getränkekollektiv gegründet hat. Die Tatsache, dass das Unternehmen Cola, Bier und Limo produziert, ist allerdings fast nebensächlich, denn eigentlich geht es dort darum zu zeigen, dass Zusammenarbeit und Wirtschaft auch anders gelingen, als wir es uns üblicher Weise vorstellen: nämlich mit konsequenter Kooperation, Transparenz, Partizipation und Gleichberechtigung. So ermöglicht es Premium beispielsweise allen Beteiligten, bei jeder Unternehmensentscheidung mitzureden und mit abzustimmen, also allen festen Mitarbeitenden ebenso wie allen Getränkehändlerinnen, Gastronomen und Kundinnen – inklusive Veto-Option bei jeder einzelnen Frage. Klingt irre, funktioniert beeindruckend gut. Außerdem macht Premium keine Werbung, hat Einheitslöhne für alle Mitarbeitenden und hat alle schriftlichen Verträge durch vertrauensvolle mündliche Absprachen ersetzt. Und es zeigt sich, dass es nicht nur befriedigender, sondern auch erfolgreicher ist, wenn Betroffene zu Beteiligten werden.
Welche persönlichen Eigenschaften sind Ihrer Meinung nach besonders wichtig für Good Leadership?
Ein solides Selbstbewusstsein bei gleichzeitig tiefer Demut gegenüber der eigenen Organisation und ihren Menschen. Eine starke analytische Urteilskraft für inhaltliche und strategische Fragen bei gleichzeitiger Empathie für die Fähigkeiten und Bedürfnisse der beteiligten Menschen. Außerdem die Freude daran, voranzugehen, Menschen zu inspirieren und dabei zugleich ihrer eigenen Sehnsucht nach Mitwirkung und Entfaltung Raum zu geben.
Wir sagen Danke für das Gespräch und freuen uns bereits auf das neue gemeinsame Projekt, das „Junge FührungKolleg“ , das in 2024 an den Start gehen wird.
Lesen Sie hierzu auch das Interview mit Dr. Philippe Merz "Lust auf Führung".
In der nächsten Folge von „3 Fragen an…“ nimmt uns Viktor Schoner, Intendant der Staatsoper Stuttgart mit auf die Bühne der Akademie 2030.