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Parkt Ihre Kutsche vor dem Opernhaus?

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© Jean-Claude Winkler
04.12.2023

Interview mit Viktor Schoner, Opernintendant an Europas größtem Dreispartenhaus, zu den Themen Good Leadership, Innovation und "Liebe zum Tun".

Kreativbetrieb und Unternehmen unter einen Hut zu bringen, das ist die große Herausforderung, die dem Opernintendanten Viktor Schoner seit 2018 an der Oper in Stuttgart mit großem Erfolg gelingt.

So erfolgreich, dass sein Vertrag jüngst vorzeitig bis zum Jahr 2029 verlängert wurde. 1400 Mitarbeitende arbeiten an den Staatstheatern Stuttgart, die einen Jahresumsatz von 120 Millionen Euro erwirtschaften. Ein Kulturbetrieb, der als Unternehmen geführt werden will. „Good Leadership“ ist dabei eine Säule des Erfolgs. Die Herausforderung ist es, Mitarbeitenden und Publikum gleichermaßen gerecht zu werden und die Klaviatur der unterschiedlichen Bedürfnisse zu beherrschen. Um den Nachwuchs bestmöglich auf diese Herausforderung vorzubereiten, fördert die Karl Schlecht Stiftung in Kooperation mit der Stuttgarter Oper von September 2023 bis August 2026 das Programm „Akademie 2030“.

© Bild: Matthias Baus

Berufseinsteigerinnen und -einsteiger sollen durch Weiterbildungen, Zusatzqualifikationen und Förderung der Persönlichkeitsentwicklung bestmögliche Startbedingungen im Kulturbetrieb erhalten und dabei die „Liebe zum Tun“, das Leitmotiv des Stiftungsgründers Karl Schlecht, erleben.

Vor allem Dr. Katrin Schlecht, Vorstandsvorsitzende der Karl Schlecht Stiftung (KSG) und Mitinitiatorin, ist davon überzeugt, dass musikalische Bildung ein wesentlicher Schlüssel zur Persönlichkeitsentwicklung ist. Was es bedeutet, ein Unternehmen wie die Staatsoper zu führen und wie Nachwuchsförderung gelingen kann, dazu hat Viktor Schoner seine eigenen Vorstellungen. 

KSG: Vom Musiker zum Unternehmer. Kann man das so überspitzt formulieren in Ihrem Fall? Oder anders gefragt, wie wird man Intendant einer Oper? 

„Ein Intendant ist nicht ein klassischer Unternehmer im herkömmlichen Sinne...“

Viktor Schoner

Viktor Schoner: „Ein Intendant ist nicht ein klassischer Unternehmer im herkömmlichen Sinne – der Impresario, der arbeitet auf eigene Rechnung und mit exklusiven Blick auf die Bilanzen; der Intendant verwaltet im Auftrag der öffentlichen Hand für eine begrenzte Zeit öffentliche Ressourcen und führt eine öffentliche Institution ─ in manchen Städten sind Opernhäuser auch Behörden, wir in Stuttgart sind so eine Mischform. Manche Häuser sind tatsächlich GmbHs in Besitz der öffentlichen Hand. Intendant*innen werden von den Verwaltungsräten bestimmt – das sind meistens Politiker*innen, die sich beraten lassen bei der Besetzung. In meinem Falle habe ich nach dem Musikerdiplom noch Kulturmanagement und Musikwissenschaft studiert, und wurde dann von einem Intendanten als Persönlicher Referent eingestellt. Mit ihm zog ich von den Salzburger Festspielen, zur RuhrTriennale und in die Pariser Oper. Von dort ging ich dann nach München, wo ich 10 Jahre lang als Künstlerischer Betriebsdirektor tätig war. Die Ausbildung als Musiker ist nicht üblich als Basis dieses Berufs, das stimmt. Die berufliche Laufbahn war dann recht klassisch.“

KSG:  Wie groß ist der Anteil Unternehmer und wie groß der Anteil Künstler an Ihrer Arbeit? 

Viktor Schoner: „Das lässt sich gar nicht trennen. Ich selbst bin eigentlich gar nicht künstlerisch tätig, sondern treffe Entscheidungen über Konstellationen, Spielpläne, Aufträge, die konkrete künstlerische Vorgänge nach sich ziehen. Aber jede Entscheidung muss natürlich auch unternehmerischen Gesichtspunkten genügen, also die Akzeptanz dieser Entscheidungen nach innen, zum Publikum, zur Presse, zur Politik“ muss immer mitgedacht werden. Da ist eine komplexe Mischkalkulation der Schlüssel zum Erfolg.

KSG: Was bedeutet „Good Leadership“ in einem Kulturbetrieb wie eine Oper? Gelten hier die gleichen Führungsmaßstäbe, wie in einem anderen Unternehmen? 

Viktor Schoner: „Ja, das ist meiner Einschätzung nach identisch. Etwas unklarer bei uns ist die Frage des „Erfolgs“. Es sind nicht nur Umsatzzahlen, die wir als Erfolg definieren. Auch, aber nicht nur. Aber Leadership ist natürlich ein großes Thema, das nicht mit Hierarchien und Verantwortlichkeiten durcheinandergebracht werden darf.“

„Vertrauen schenken, Verantwortung nehmen.“

heißt Good Leadership für Viktor Schoner

KSG: Wie ist es um den Führungsnachwuchs im Kulturbereich bestellt? Gibt es hier ebensolche Engpässe, wie aktuell in anderen Bereichen, in denen ein akuter Fachkräftemangel herrscht? 

Viktor Schoner: „Natürlich ist das ein Thema. Mein Prinzip ist, dass man sehr früh gute junge Leute binden muss. Talentscouting ist klassisch bei jungen Sänger*innen bekannt, wie im Sport. Ich habe das selbst als junger Mensch erlebt, und versuche das auch selbst zu leben jetzt: im Management, in der Dramaturgie, auf der Bühne … überall braucht es gute Leute, und die zieht man sich am besten selbst – ohne dass es provinziell werden darf. Natürlich agieren wir seit 400 Jahren international und da sind Deutschland und die deutsche Theaterlandschaft für sämtliche künstlerische Berufe noch ein attraktives Umfeld. Schwieriger sind Berufe bei uns bspw. im technischen Bereich, die es auch in der Privatwirtschaft gibt – dort wird dann gerne besser gezahlt, sodass das für uns schwierig ist. Aber die Faszination Theater ist noch immer besonders, darauf bauen wir.“

© Bild: Staatsoper Stuttgart

KSG: „Welche Rolle spielen Innovationen im Kulturbetrieb? Sind sie für den Erhalt des Kulturbetriebs überlebensnotwendig? Oder basiert der Erfolg eher auf Altbewährtem, Traditionellem?“

„Ich muss manchmal lachen, wenn hochintelligente, gebildete Manager von Dax-Konzernen oder Mittelständlern sich beschweren, dass unsere Tosca nicht so aussieht wie vor 150 Jahren. Dann frage ich, ob sie denn ihre Kutsche mit Pferden vor dem Opernhaus geparkt haben!?“

Viktor Schoner zu Innovation im Opernhaus

Viktor Schoner: „Es ist ein guter Mix. Wobei ich überzeugt bin, dass wir nur durch Innovation auch weiterhin Berechtigung haben werden, zu existieren. Ich muss manchmal lachen, wenn hochintelligente, gebildete Manager von Dax-Konzernen oder Mittelständlern sich beschweren, dass unsere Tosca nicht so aussieht wie vor 150 Jahren. Dann frage ich, ob sie denn ihre Kutsche mit Pferden vor dem Opernhaus geparkt haben!? Die Zeit ändert sich, und so auch die Ästhetik und die Reflektion von historischen Werken. Aber natürlich steht die Oper auch für Nostalgie …“

KSG:  „Die „Liebe zum Tun“ ist eine sehr allgemeine Formulierung, die erwartungsgemäß aus einem persönlichen Bedürfnis entspringen sollte. Glauben Sie, dass man die „Liebe zum Tun“, also etwas sehr Intrinsisches, fördern kann? Und was ist dazu erforderlich?“

Viktor Schoner: „Ich glaube, Leadership ist ein komplexes Unterfangen und ehrlich gesagt beobachte ich viele Kolleg*innen, die da noch nicht ganz top sind in unserem Metier. Wir in Stuttgart machen wahnsinnig viel mit Fortbildungen, Coaching, Organisationsentwicklungen etc. Und doch ist es manchmal wie bei Kindern: Egal, wie man sie erzieht, sie machen uns Eltern sowieso alles nach. Deswegen ist schon entscheidend, wie ich selbst eine Life-Work-Balance lebe, wie ich mit meinem direkten Umfeld umgehe, wie ich Ziele transparent kommuniziere und wie ich mit Misserfolgen umgehe…. Liebe zum Tun ist in unserem Beruf ganz dankbar, denn das Produkt, also die Opernvorstellung ist per se etwas, das man lieben kann, und traditionell arbeiten bei uns Menschen, die dieses Produkt lieben. Dass sie das dann gerne tun, ist keine Hexerei … Ein großer Teil der Motivation ist auch Tun-Lassen, also Delegieren, Vertrauen, Entrepreneurship in kleinen Einheiten zulassen. Das ist also eine indirekte Förderung der eigenen Motivation der Mitarbeitenden….

Vielen Dank für das Interview, das Sofia Delgado für die KSG führte.