Sofia Delgado (S.D.): „Das Bronnbacher Stipendium steht für „Kulturelle Kompetenz für Führungskräfte“ durch Kunst- und Kulturerfahrung. Was genau macht Kunst und Kulturerfahrung mit uns? Hilft es den „Ventilatoren“ beim Fliegen?“
Konstantin Adamopoulos: „Beim Ventilator geht es weniger darum, abzuheben. Wenn wir das Bild des Ventilators dynamisch verstehen wollen, dann wird damit die Luft zum Atmen umgewälzt. Es geht um Erfrischung, darum den Raum positiv zu verändern bevor ggf. doch die Entscheidung zum Verlassen getroffen werden muss. Die 16 Stipendiat:innen pro Jahrgang erleben und prüfen ihre oft genug unausgesprochenen Grundannahmen für ihre Bewertungen und Entscheidungen. Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Künstler:innen fordert sie darin heraus. Meine Erfahrung als Kurator bahnt die Begegnungen so an, dass sie produktiv und nachhaltig ein waches, flexibles und dabei wertebewusstes Wahrnehmen und Handeln unterstützt. Künstler:innen sind hierfür unerlässliche Partner:innen auf dem Weg zu einer eigenen “Haltung” und zur Kraft für notwendige Handlungen.“
S.D.: „Wie hat man sich das vorzustellen, Leadership künstlerisch gedacht? Warum ist Kunst- und Kulturerleben so hilfreich? Was hat es mit Ethik zu tun?“
Adamopoulos: „Leadership hat etwas mit gestalterischem Handeln zu tun, das in Interaktion stattfindet. Eine Führungspersönlichkeit trifft ständig auf neue Akteur:innen und deren sich wandelnde Intentionen und Notwendigkeiten. – In unseren kuratorisch begleiteten Workshops öffnen sich die Teilnehmer:innen durch die künstlerischen Erfahrungen, im Malen, in der Körperarbeit, in medialen und gemeinschaftlichen Aktionserlebnissen. Wer sich selbst immer wieder kennenlernt, sich hinterfragt und bewegt, kann anderen aktuell und weitestgehend adäquat begegnen. Das ist der Link zum Leadership und zur Ethik. – Wie sonst kommen denn ethische Werte in die persönliche und gemeinschaftliche Handlung, in eine umgesetzte Verantwortung? – In der Ausnahmesituation „Kunst“ prüfen wir uns, unsere Erfahrungen und Bewertungen, aneinander. Hier lernen wir Toleranz und „Haltung“ herzlich wahrzunehmen und Wahrnehmung zu entfalten – Umkehr, Korrektur, Mitgefühl inklusive.“
S.D.: „Das erste Programm des Bronnbacher Stipendiums fand 2004/2005 statt. Welche Rückmeldungen haben Sie heute von den Teilnehmern der ersten Jahrgänge? Was hat sich persönlich für die Alumni durch die Teilnahme am Programm verändert? Welche Effekte hat das auf lange Sicht?“
Adamopoulos: „Von älteren Alumni erhalte ich zunächst die Rückmeldung, dass sie die zugeneigte und offene Arbeitssituation nur schwer im beruflichen Alltag integrieren oder wiederfinden können.– Ein Alumnus nannte es die „Würde des Konsums“ und die „Würde der Produktion“, um die er ränge. Für die Menschheit und unsere Erde, Tiere, samt Weltraum ist ein voneinander abhängiges Miteinander kaum noch zu leugnen. Sich hierfür einzusetzen, verbindet die Würde des Konsums (Wie verbrauche ich Mitwelt?) mit der Würde der Produktion (Wie agiere ich aus den Ressourcen der Welt?). – Hierfür seine Kraft und Flamme zu geben, ggf. auch als Einzelne/r gegen den global relativierenden Mainstream, das bleibt der Bronnbacher proof of the pudding.“