Das seit 2001 jährlich stattfindende Programm der renommierten ZEIT STIFTUNG BUCERIUS in Hamburg richtet sich an junge Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft, Medien und Zivilgesellschaft. Die Teilnehmer der Summer School kommen aus der ganzen Welt und können sich nur auf Nominierung bewerben.

„Wir brauchen Leadership, das Wohlstand befördert, die Armut mindert, die Wirtschaft wachsen lässt...“
Sascha Suhrke
ZEIT STIFTUNG BUCERIUS
Im vergangenen Jahr haben sich circa 180 Kandidaten zwischen 28 und 35 Jahren auf die rund 50 Plätze beworben, darunter erfreulich viele weibliche Bewerberinnen und Vertreterinnen der Wirtschaft. Seit zwei Jahren ist die KSG-Förderpartner der renommierten Bucerius Summer School on Global Governance, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feiert.
Sofia Delgado fragte für die KSG bei Sascha Suhrke, Direktor der Bucerius Summer School und Head of Politics and Society für die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS nach, was genau dieses Format ausmacht.
KSG: „25 Jahre Bucerius Summer School, wie hat sich das Programm im Vergleich zu ähnlichen Programmen in Deutschland und darüber hinaus positioniert? Was macht sie nach so vielen Jahren noch immer einzigartig?“
Sascha Suhrke: „Die Welt hat sich seit der ersten Bucerius Summer School on Global Governance stark verändert. Die erste BSS fand im August 2001 statt, kurz danach war 9/11. Es war eine Zeit, in der die Globalisierung auch die Hoffnung mit sich brachte, dass die Staaten dieser Welt stärker zusammenarbeiten werden, um globale Probleme und Herausforderungen gemeinsam zu meistern.
Die Zahl der Krisen, Konflikte und Kriege führt uns aber vor Augen, wie weit entfernt wir von Global Governance sind und wie stark nationale Interessen im Gegensatz zum Wohle der Menschheit stehen. Daher ist gute Regierungsführung und good Leadership überhaupt in allen Bereichen wichtig.
Am Anfang war das Ziel des Programms, junge deutsche Führungskräfte aus allen Sektoren wie Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Medien und aus der Zivilgesellschaft stärker international zu vernetzen. Das war vor 25 Jahren nicht so selbstverständlich wie es heute ist. Die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS hatte damals die Idee – und das machte den Unterscheid zu vielen Programmen, nicht nur in Deutschland aus – Menschen aus allen Sektoren zusammenzubringen, um gemeinsam auch out-of-the-box zu denken, sich gegenseitig zu inspirieren und herauszufordern.
Die Vielfalt verschiedener Nationalitäten und beruflicher Hintergründe macht das Programm so besonders und diese Diversität ist heute noch viel stärker als am Anfang. Die Teilnehmer:innen kommen aus der ganzen Welt und hier begegnen sich Menschen, die sich nicht ohne Weiteres bei anderen Programmen oder Konferenzen begegnet wären. Das zeigt auch die Verbundenheit der Alumni – auch nach Jahren oder mittlerweile Jahrzehnten zur Bucerius Summer School und zur ZEIT STIFTUNG BUCERIUS.“
KSG: „Planen Sie ein besonders Programm für das Jubiläumsjahr?“
Sascha Suhrke: „Am Ende der BSS in diesem Jahr wird es in Hamburg auf dem Campus der Bucerius Law School eine große Alumnikonferenz geben mit etwa 300 Alumni und dem aktuellen BSS Jahrgang. Nach der Bekanntgabe war diese Konferenz in wenigen Tagen ausgebucht und die Warteliste wird immer länger. Ich erwähnte bereits die große Verbundenheit unserer Alumni, ich muss sehen, ob wir noch ein paar mehr Alumni unterbringen können, aber ab einer bestimmten Zahl können wir das räumlich und organisatorisch nicht mehr leisten. Es ist aber jetzt schon eine große Freude zu sehen, dass unser Netzwerk so aktiv ist und das wird auch Thema des Alumniwochenendes werden: Wo wollen wir mit diesem globalen Netzwerk hin? Wie können wir (noch) mehr damit erreichen? Wie können Alumni selbst aktiv werden? Was wollen wir gemeinsam gestalten?“
KSG: „Was waren die Gründe und Ziele bei der Etablierung der Bucerius Summer School vor 25 Jahren? Wie hat sich das Programm seitdem weiterentwickelt?“
Sascha Suhrke: „Seit 2000 gibt es in Hamburg die Bucerius Law School, eine private Hochschule für Wissenschaft, die die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS gegründet hat und seitdem im Hochschulbereich für Innovationen und Exzellenz steht. Die erste Überlegung war dann, ob wir neben Jura nicht einen weiteren Bereich erschließen, die Bucerius Governance School. Dazu gab es Planungen. Stattdessen haben wir damals mit der Bucerius Summer School on Global Governance begonnen und später die Idee einer weiteren Hochschule oder eines weiteren Fachbereichs aufgegeben. Aber die Bucerius Summer School blieb, weil die Stiftung gemerkt hat, wie wichtig es ist, Praktiker:innen zusammen zu bringen, die gemeinsam an der Lösung globaler Fragen und Probleme arbeiten und mit prominenten Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft, Militär, Medien, internationalen Organisationen und NGOs ins Gespräch kommen. Unserer Teilnehmer:innen sind alle bereits im Berufsleben, kommen also nach ihrer akademischen Ausbildung zu uns. Die BSS ist daher auch für die meisten eine Fortbildung und Zusatzqualifikation.
Die BSS hat sich seit 2001 beständig weiterentwickelt, die Themen und Teilnehmer:innen wurden diverser. Von anfänglich 18 verschieden Nationalitäten kommen die Teilnehmer:innen heute aus mindestens 30 verschiedenen Ländern jedes Jahr. Umso mehr Länder und Kontinente repräsentiert sind, desto besser bilden wir die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Globalisierung, Krisen und Konflikte ab und ermöglichen so allen einen besserern Blick über den eigenen Tellerrand. Viele Formate sind im Laufe der Jahre hinzugekommen: neben klassischen Paneldiskussionen und Keynotes gibt es mehr Arbeitsgruppen, Workshops, Simulationen und Planspiele. Die Themen verändern sich beständig und keine BSS gleicht der anderen.
Es gibt tatsächlich aber eine Sache, die machen wir seit über 20 Jahren immer am Anfang des Programms, wir fahren mit Drachenbooten auf der Alster in Hamburg und machen am Ende auch ein Rennen mit den Booten. Bei den Drachenbooten kommt es darauf an, gemeinsam im gleichen Rhythmus zu paddeln, nur so kommt man schnell voran. Und neben dem Spaß dabei, bringt das die Gruppe gleich näher zusammen und das ist für das weitere Programm wichtig.“
KSG: „Die Welt ist im Wandel. Alles schreitet gerade sehr dynamisch voran, vor allem durch neue Meilensteine wie die Künstliche Intelligenz. Planen Sie das Programm in den kommenden fünf Jahren anzupassen an die Entwicklungen? Kann man soweit planen?“
Sascha Suhrke: „Wandel war schon immer, was sich verändert hat, ist das Tempo. Wir nehmen alle Trends und Entwicklungen auf, über KI haben wir schon vor Jahren bei der BSS gesprochen, das konnte man absehen. Überhaupt haben wir über digitale Entwicklungen, über Cybersicherheit diskutiert. Wenn es aber wie 2011 einen Reaktorunfall in Japan gibt, dann muss man die Planungen umwerfen, weil plötzlich überall wieder ganz anders über die Zukunft der Atomenergie verhandelt wird. Wir haben auch seit der russichen Invasion der Krim und dem Angriff auf die Ostukraine 2014 bei jeder BSS darüber diskutiert. Als aber 2022 die Vollinvasion dieses Krieges begann, mussten wir auch umplanen.
In vielen Bereichen können wir langfristig planen, sind aber darauf eingestellt, Dinge nicht nur anzupassen, sondern auch komplett umzuschmeißen, wenn die Situation es erfordert. Und wir schaffen außerdem den Freiraum, dass die Gruppe auch während der BSS Themen selbst wählen kann und dazu ohne externe Speaker selbst die Inputs gibt.“



KSG: „Welche Bedeutung haben kritisches Denken und Verantwortungsbewusstsein im Curriculum der Summer School? Wie werden diese Fähigkeiten gefördert und in das Programm eingebunden?“
Sascha Suhrke: „Einerseits ist das Programm eine Plattform, auf der der offene Meinungsaustausch wichtig ist, andererseits ist uns als Stiftung auch der nötige Wertekompass wichtig - Freiheit, Demokratie, Pluralismus und überhaupt Zusammenarbeit. Die Menschen, die zu uns kommen, haben studiert, sind gut ausgebildet, haben Prägungen und Erfahrungen. Wir geben ihnen für die Dauer der BSS einen safe space, einen sicheren Raum – wir wollen einen ehrlichen, offenen Austausch und keine vorbereiteten offizielle Statements.
Wir erwarten von allen, bei allen Meinungsunterschieden, zuzuhören und die Bereitschaft sich mit anderen Positionen auseinanderzustzen, also kritisch mit anderen aber auch jederzeit kritisch mit sich selbst. Kritik und Verantwortung sind Dinge, die wir nicht einfach postulieren können. Es kommt darauf an, dass das Programm den Raum dafür gibt, aber gleichzeitig auch eine Atmosphäre schafft, die es allen ermöglicht sich darauf einzulassen.
Ein Mittel ist die Chatham House Rule, die es allen erlaubt, später darüber zu reden, was gesagt wurde, ohne aber sagen zu dürfen, wer es gesagt hat. Im Gegensatz zu 'off the record', das zu Stillschweigen verplichtet, ist die Chatham House Rule etwas, das größtmögliche Offenheit ermöglicht.
Darüber hinaus machen wir Workshops und Planspiele, die Leadership-Skills befördern sollen. Wir sehen seit vielen Jahren den Aufstieg antidemokratischer und autoritärer Staaten und deren Führungspersonal. Die Geschichte lehrt uns, dass das in die falsche Richtung führt.
Wir brauchen Leadership, das Wohlstand befördert, die Armut mindert, die Wirtschaft wachsen lässt, wirkungsvolle Maßnahmen angesichts des Klimawandels unternimmt und versteht, dass die Mehrheit unserer Herausforderungen und Probleme global sind und nicht alleine national gelöst werden können.“
Wir sagen herzlich Danke für das Interview. Dieses Jahr findet die 25. BSS vom 21.-31. August statt. Wir freuen uns schon sehr auf die Teilnehmenden und werden berichten!