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Tamino, Cassio und von Borsa - oder: Von der Fähigkeit, die Rollen zu wechseln

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© Matthias Baus
06.12.2024

Seit der Saison 2023/24 zählt Joseph Tancredi, Tenor, zu den Mitgliedern des Opernstudios der Staatsoper Stuttgart. Er übernimmt 2024/25 hier Partien von Vierter Jude (Salome), von Tamino/Erster Geharnischter (Die Zauberflöte), von Cassio (Otello), von Ruiz (Il trovatore) und von Borsa (Rigoletto). Des Weiteren wirkt er beim 1. Liedkonzert und bei der JOiN-Produktion Fundbüro als 'Das ewige Kind' mit. Wir sprachen mit dem Teilnehmer der Akademie 2030.

Joseph Tancredi mit Dr. Philipp Bocks nach der fulminanten Operngala 2024 im Wilhelma Theater \ © Bild: Angelika Graf

Doch wieso ein Akademie-Programm an der Oper? Auch junge Musiker und Musikerinnen brauchen Förderung. Mit der neuen Form der künstlerischen Nachwuchsförderung Akademie 2030 unterstützt die Karl Schlecht Stiftung dieses Format. Es ging im Herbst 2023 an den Start. Ziel ist es, eine Brücke zwischen Ausbildung und Berufsleben für junge Talente zu schaffen. 

KSG: „ Was hat Sie beide dazu bewogen, sich für die Akademie 2030 der Staatsoper Stuttgart zu bewerben?“

Joseph Tancredi (JT): „Ich habe vom Opernstudio durch frühere Studiomitglieder erfahren, die von ihren Erfahrungen hier absolut begeistert waren und das Studio und das Opernhaus in den höchten Tönen gelobt haben.“

KSG: „Welche Erfahrungen haben Sie bisher in der Akademie gemacht, die Sie besonders prägend fanden?“

JT: „In meinem ersten Jahr hier habe ich viele prägende Erfahrungen gemacht, aber die prägendste war wohl mein Debüt, das etwas früher als erwartet stattfand. Nachdem ein Kollege krank geworden war, hatte ich die Gelegenheit, als Nemorino in Donizettis L'elisir d'amore einzuspringen. Ich hatte einen Tag Zeit, um die Rolle neu zu lernen (nachdem ich sie ein Jahr zuvor gesungen hatte), mich mit der Inszenierung vertraut zu machen und das Kostüm für mich anzupassen. Dies war meine erste Gelegenheit, mit anderen Kollegen auf der Bühne und mit dem Staatsorchester zu singen. Es war eine so aufregende und erstaunliche Erfahrung, die ich nie vergessen werde!“  

KSG: „Wie unterstützt die Akademie 2030 Ihre beruflichen Ziele und Karrierepläne?“

JT: „Das Opernhaus und das Studio haben bereits so viel für meine Karriere getan. Die Zeit, die ich auf der Bühne verbracht habe, war so wichtig für meine Entwicklung als Darsteller, und die Arbeit mit verschiedenen Dirigenten, Sängern und Trainern aus der ganzen Welt war unglaublich nützlich. Unsere Mentoren des Opernstudios haben für uns Vorsingen bei verschiedenen Casting-Direktoren und Managern organisiert, und sie waren eine großartige Quelle des Wissens und der Anleitung für uns.“

KSG: „Die weiteren Lebensplanungen verlaufen bei Ihnen beiden jetzt nach Ende des Stipendiums unterschiedlich. Herr Tancredi, Sie sind nach dem ersten Jahr am Opernhaus geblieben. Ihr Kollege, Herr Frigato, hat die Staatsoper im September Richtung Straßburg verlassen, um dort eine Solokarriere zu starten. Wie geht es bei Ihnen weiter?

JT: „Da das Opernstudio hier ein zweijähriges Programm ist, freue ich mich auf meine zweite Saison in diesem Jahr und all die spannenden Projekte, die vor mir liegen!“ ( Anm. der Redaktion: Wie zum Beispiel den Tamino in Mozarts Zauberflöte in einer faszinierenden Inszenzierung von Barrie Kosky. Diese Inszenierung vereint Stummfilmelemente, Videosequenzen und die klassische Geschichte der Zauberflöte zu einem ganz besonderen Erlebnis.)

 

KSG: „Welche zusätzlichen Qualifikationen und Weiterbildungen haben Sie durch die Akademie erhalten?“

JT: „Durch das Opernstudio hatte ich die Gelegenheit, mit weltbekannten Dirigenten, Trainern und Lehrern wie John Fisher, Neil Shicoff, Eytan Pessen, Matthias Rexroth, Deborah Polaski und James Smidt zu arbeiten. Die Ausbildung bei diesen erstaunlichen Lehrern, Dirigenten und Trainern war von unschätzbarem Wert für meine Entwicklung im letzten Jahr.“

KSG: „Wie hat der Austausch mit anderen Young Professionals und Mentoren Ihren Blick auf die Zukunft Ihrer Arbeit im Kunstbetrieb beeinflusst?“

JT: „Der Austausch mit anderen jungen Künstlern und Fachleuten hier hat mir so viel Hoffnung und Begeisterung sowohl für meine Arbeit in der Zukunft dieser Branche als auch für die Zukunft dieser Kunstform selbst gegeben. Ich habe so viel gelernt, indem ich meine Kolleginnen und Kollegen bei den Proben und auf der Bühne beobachte und mit ihnen gemeinsam so eindrucksvolle Musik gemachen kann.“

KSG: „Welche Visionen und Ideen haben Sie für die Weiterentwicklung der Musiktheaterlandschaft in den nächsten Jahren?“

JT: „Ich hoffe, dass diese Kunstform auch in Zukunft ein großes Publikum erreicht, Grenzen überschreitet und eine Quelle der Repräsentation und Inklusion für alle Menschen ist. Ich habe vor, meine Stimme sowohl auf als auch abseits der Bühne zu nutzen, um so gut wie möglich zu diesen Zielen beizutragen und hoffentlich Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zu ermutigen, sich in verschiedenen Funktionen in unserer Kunstform zu engagieren.“

Wir sagen herzlichen Dank für das Interview!

Werdegang Joseph Tancredi, Tenor, stammt aus New York. Er studierte an der Curtis Institute of Music und am Manhattan School of Music. Seine früheren Engagements umfassen Auftritte an der Santa Fe Opera, beim Aspen Music Festival, Opera Maine und an der Chautauqua Institution. In der vergangenen Saison gab Joseph Debüts beim Cleveland Orchestra als Harry (La fanciulla del west) und an der Opera Philadelphia als Solist in Orffs Carmina Burana. Zudem wurde er nationaler Halbfinalist des Laffont-Wettbewerbs der Metropolitan Opera. Am Curtis Institute of Music trat Joseph auf als Lurcanio (Ariodante), Nemorino (L’elisir d’amore), Ferrando (Così fan tutte), Albert (Albert Herring) und Count Almaviva (Il barbiere di Siviglia). Des Weiteren sang er in der Gefängnis-Szene und Finale die Titelpartie in Gounods Faust unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin mit dem Curtis Symphony Orchestra. Joseph Tancredi wurde bei mehreren Wettbewerben ausgezeichnet, darunter der George London Foundation, der Gerda Lissner Foundation, der Premiere Opera Foundation und des Metropolitan Opera National Council.