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Wenn politische Machtspiele kunstverdächtig werden…

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© Walter Rammler
12.03.2025

Am 8. März wurde in Stuttgart der diesjährige Erich-Fromm-Preis an die Videokünstlerin und Dozentin Prof. Dr. Hito Steyerl vergeben. Sie ist nicht nur studierte Philosophin und Professorin für Digitale Kunst an der HdK in Berlin, sondern macht seit vielen Jahren mit ihrer Videokunst eindrucksvoll aufmerksam, wie politische Macht in der Gegenwart zunehmend zu einem erschreckend realen, künstlerischen Surrealismus mutiert.

Bei traumhaftem Wetter waren im Hospitalhof in Stuttgart viele Interessierte zur Preisverleihung zusammengekommen. Der Erich-Fromm-Preis wird in dieser Form bereits seit 2006 vergeben. Eingeladen hatte die Internationale Erich-Fromm-Gesellschaft e.V. unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Jürgen Hardeck.

Der Hospitalhof ist das Zentrum der Evangelischen Kirche in Stuttgart für Bildung, Kultur und Spiritualität. Und so verwies Pfarrerin Monika Renninger, Leiterin des. Bildungszentrums, gleich in ihren Begrüßungsworten darauf, wie wichtig der kulturelle Austausch und auch künstlerisch-kritische Blick in diesen komplexen Zeiten ist.

Prof. Dr. Hardeck würdigte in seiner Rede im 125. Geburtsjahr von Erich Fromm die international renommierte Künstlerin. Hito Steyer weist seit vielen Jahren durch ihre Videoinstallationen scharfsinnig auf gesellschaftliche Diskrepanzen hin und nimmt diese in ihren Arbeiten wie „Normalitäten“, und in ihren Büchern und Videoinstallationen schon fast orakelhaft vorne weg.

„Hito Steyerls Arbeit an der Schnittstelle von Bildender Kunst und Film sowie ihre philosophischen Reflexionen gesellschaftlicher Entwicklungen seien Gesellschaftsanalyse und Gesellschaftskritik mit den Mitteln zeitgenössischer Kunst“, so die Jury in ihrer Begründung.

© Bild: Walter Rammler

In der Lautatio erläuterte Sören Grammel, Kurator, Direktor des Heidelberger Kunstvereins und Experte für Gegenwartkunst das vielschichtige Werk von Hito Steyerl.

In ihrer Lecture nahm Hito Steyerl das Publikum nahbar und auf sehr anschauliche Weise mit.

Die Politik, so Steyerls These, vereinnahme heute die Kunstfreiheit für sich, und Politiker wie Trump & Co. verhielten sich wie Künstlergenies alten Schlags. Die Freiheit, die sie fordern, meine, zu tun, „worauf man Lust hat“ und jeden Verzicht auf Verantwortung. In diesem neuen Paradigma, „scheint nichts undenkbar“, so Steyerl.

Eine denkwürdige Preisträgerin ganz im Sinne des kritischen Humanismus und des Produktivitätsideals von Erich Fromm.

© Bild: Walter Rammler

Zur Person:
Prof. Dr. Hito Steyerl, 1966 in München geboren, gilt als eine der international wichtigsten Künstlerinnen der Gegenwart. 2017 wurde sie vom Kunstmagazin Art Review zur einflussreichsten Person der Kunstwelt erklärt. Die in Berlin lebende Kunst-Professorin experimentiert mit medialen Präsentationsformen, setzt sich kritisch mit künstlicher Intelligenz auseinander und reflektiert die Rollen von Kunst und Museum. Ihre Werke werden weltweit ausgestellt: in Berlin und Shanghai, im Kunstmuseum Basel und im Centre Pompidou in Paris, im Museum of Modern Art, New York, oder auf der Biennale in Venedig. 

Über den Erich Fromm Preis:

Der Erich-Fromm-Preis ist mit einem Preisgeld von 10.000 Euro dotiert und wird seit 2006 jährlich von der Internationalen Erich-Fromm-Gesellschaft verliehen. Mit dem Erich Fromm-Preis werden Personen ausgezeichnet, die mit ihrem wissenschaftlichen, sozialen, gesellschaftspolitischen oder journalistischen Engagement Hervorragendes für den Erhalt oder die Wiedergewinnung humanistischen Denkens und Handelns im Sinne Erich Fromms geleistet haben bzw. leisten.

Die Auswahl der Preisträgerinnen bzw. Preisträger erfolgt durch Mehrheitsentscheidung einer fünfköpfigen Jury, die durch den Erweiterten Vorstand der Internationalen Erich Fromm-Gesellschaft berufen wird. Die Jury ist in ihrer Auswahl frei, doch hat sie Bewerbungen und Empfehlungen für den Erich Fromm-Preis in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen. Bewerbungen und Empfehlungen für das Folgejahr müssen jeweils bis zum 1. April bei der Geschäftsstelle der Internationalen Erich Fromm-Gesellschaft vorliegen.

Mit der Preisverleihung soll nicht nur ein humanistisches Engagement im Sinne Erich Fromms gewürdigt werden. Sie dient auch dazu, einer möglichst großen Öffentlichkeit das Vermächtnis Erich Fromms bekannt zu machen und in Erinnerung zu halten. Sie findet deshalb in der Regel öffentlich statt.

„Heute sind die Dinge im Sattel und reiten den Menschen. Unsere Zukunft hängt davon ab, ob es dem Menschen – dem ganzen, schöpferischen Menschen – gelingt, sich in den Sattel zu setzen.“ (Erich Fromm in „Wege aus einer kranken Gesellschaft“, GA IV, S. 385)

Der Mittschnitt der gesamten Lecture ist in Kürze über die Webseite der Int. Erich-Fromm-Gesellschaft verfügbar. 

Die nächste Veranstaltung im Rahmen der Feierlichkeiten zu Erich Fromms 125. Geburtstag ist die Abendveranstaltung Macht und Öffentlichkeit - Medienkritik und der Humanismus Erich Fromms am 9. April 2025 an der IPU Berlin. Hier mehr erfahren.